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Israel: Kibbutz-Hopping auf den Spuren der Siedler

Tel Aviv und Jerusalem sind die perfekten Orte, um sich Israel an einem verlängerten Wochenende anzunähern. Wer mehr Zeit zur Verfügung hat, ist mit einer Rundreise samt Kibbutz-Hopping bestens beraten. reisetipps hat einige Kibbutzim mit ansprechenden Gästehäusern besucht. Ein kurzer Überblick.

Auch wenn sich diese gemeinschaftlichen Siedlungen - teilweise aus der Zeit vor der Staatsgründung 1948 - heute in modernisierter Form präsentieren, so verspricht ein Aufenthalt in den angeschlossenen Hotels doch einen guten Einblick in Geschichte und Tradition dieser einzigartigen Lebensweise. Einzigartig deswegen, weil die Organisationsform kollektivistisch und basisdemokratisch war, die Teilnahme jedoch immer freiwillig. In der Blütezeit der Kibbutzim, in den ersten Jahrzehnten nach der Staatsgründung, lebten nur knapp 6% der gesamten Bevölkerung in den Kooperativen. Dennoch konnten überdurchschnittlich viele „Chaverim“, Mitglieder, auf außergewöhnliche Karrieren in Führungspositionen verweisen. Zu den bekanntesten Beispielen zählen Shimon Peres, Golda Meir und Yigal Allon.

Die Grundidee der Kibbutzim war sozialistisch und zionistisch geprägt, mit strengen Prinzipien wie eine klassenlose Gesellschaft, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, kein Privateigentum und gemeinsame Kindererziehung. Im Gegenzug gab es dafür ein umfassendes Angebot an Sozial- und Dienstleistungen. Die Verteilung erfolgte nach dem Motto: Jeder gibt so viel, wie er kann und nimmt so viel, wie er braucht.

Degania Alef am Südufer des See Genezareth, 1910 von zwölf jungen Leuten aus Odessa gegründet, war die erste dieser sozialistischzionistischen Landwirtschaftskommunen. Heute sind bis auf 35 die meisten der knapp 300 Kibbutzim privatisiert, ein paar wenige, wie Kibbutz Lavi in Galiläa, sind religiös. Bis zur Zeit der Privatisierung verloren die Kibbutzim sukzessive ihre Mitglieder. Viele Junge zogen den Komfort der Stadt vor. So lange, bis sie eigene Familien gründeten und das Leben in der Gemeinschaft am Land wieder attraktiv wurde. Es ist einfach, einen Kibbutz zu verlassen, aber schwer, hineinzukommen.

Shefayim, der Wohlhabende

An der Mittelmeerküste im Zentrum des Landes, wenige Minuten von Herzliya entfernt, liegt der weitläufige Kibbutz Shefayim. Zur Zeit der Gründung vor 85 Jahren lebten die Mitglieder in Zelten. Bereits 1984 wurde ein Wasserpark errichtet, später folgten eine Plastikfabrik, ein Pharma-Unternehmen und ein Hotel. Die Einnahmen werden unter den Mitgliedern aufgeteilt.

Wie in allen Kibbutzim waren die Kinder in den Anfangsjahren in eigenen Kinderhäusern untergebracht, wo sie mit Gleichaltrigen schliefen. Die Eltern sahen sie nur ca. drei Stunden pro Tag. Dieser umstrittene Erziehungsansatz wurde erst nach drei Generationen aufgegeben. Bekleidung und Schuhe wurden vom Kibbutz bereitgestellt. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam im Speisesaal eingenommen, der in der Regel auch als Veranstaltungs- und Versammlungsort genutzt wurde. Mit der Privatisierung 2010 durften die Mitglieder eigene Häuser bauen. Heute essen die meisten Mitglieder zu Hause. BesucherInnen hingegen weiterhin im Speisesaal. Dort gelten fixe Regeln: Selbstbedienung am meist üppigen Büffet, abgeräumt wird selbst.

Nachscholim: Strand und Museum

Gegründet 1948, gleich nach der Unabhängigkeit, punktet der Kibbutz heute mit seinem Seaside Resort mit weitläufigen Sandstränden und der Nähe zu Tel Dor, der archäologischen Stätte einer antiken Stadt, die ab rd. 2.000 v. Chr. besiedelt war. Einen Besuch wert ist das Museum Mizgaga in der ehemaligen Glasfabrik von Baron Edmond de Rothschild, der hier Flaschen für seine Weinkellerei, die erste Israels, produzieren ließ. Zu sehen sind Ausgrabungen aus Tel Dor, bezaubernde, moderne Glaskunst und spannende Exponate aus dem Meer, die von Unterwasserarchäologen gehoben wurden.

Nof Ginosar, Christliche Stätten und Badespaß

Von der Küste landeinwärts, vorbei an Zichron Yaakov, wo Rothschild seinen ersten Weinkeller ansiedelte, über das Karmel-Gebirge gelangen wir in weniger als zwei Stunden zum See Genezareth, an dessen Ufer der Kibbutz Nof Ginosar liegt. Wie viele andere Kibbutzim, die in den 1930er Jahren errichtet wurden, war auch Ginosar eine Verteidigungssiedlung. Die Nähe zum See – die Badesaison dauert von April bis November - sowie zu zahlreichen christlichen Pilgerstätten wie Tabgha, Berg der Seligpreisungen oder Kapernaum sind optimale Voraussetzungen für touristische Einnahmen. Zudem verfügt Ginosar mit einer Ernte von 10.000 Tonnen über die größten Bananenplantagen des Landes. Dem Politiker Yigal Allon, der hier lebte, ist das Yigal Allon Museum and Educational Center gewidmet. Besonders eindrucksvoll sind Dokumentationen aus der Gründungszeit des Kibbutz. Der Weg dorthin führt vorbei am Museum, in dem das Boot Jesu, ein rd. 2.000 Jahre altes Fischerboot, das aus dem See Genezareth geborgen wurde, ausgestellt ist.

Tzuba, einer der letzten seiner Art

Mitten in den waldreichen Judäischen Hügeln, am westlichen Stadtrand Jerusalems, liegt der Kibbutz Palmach Tzuba. Gegründet wurde er 1948 während des Unabhängigkeitskriegs von Mitgliedern der Streitkräfte (Palmach). Bis heute leben die rund 600 BewohnerInnen nach dem Prinzip „gib so viel du kannst, nimm so viel du brauchst“. Eine Mehrheit von 70% hatte sich vor Jahren gegen eine Privatisierung ausgesprochen. Einkommen wandern in einen Gemeinschaftstopf und werden – je nach Alter, Anzahl der Kinder und Dauer der Zugehörigkeit – für die täglichen Bedürfnisse verteilt. Ausbildung und Arztkosten werden vom Kibbutz getragen, Kleidung in der Gemeinschaftswäscherei gewaschen. 60% der Einnahmen stammen aus einer Fabrik für schussfeste Scheiben, mit denen u.a. die US Army beliefert wird. 30% entfallen auf den kinderfreundlichen Vergnügungspark Kiftzuba und das Hotel Tzuba, 10% steuern ein eigenes Weingut, Landwirtschaft und eine Schokoladenfabrik bei. Somit zählt Tzuba zu den zwanzig wohlhabendsten Kibbutzim.

Ein Gedi, Wellness in der Wüste

Rund eine Stunde von Jerusalem, wenige Minuten vom Toten Meer entfernt, liegt der Kibbutz Ein Gedi in der Judäischen Wüste, nicht weit von der Festung Masada entfernt. Die weitläufige Hotelanlage verfügt über ein eigenes Spa mit Wasser aus dem Toten Meer. Als der Kibbutz 1950 nahe den Ruinen einer antiken Siedlung aus dem 5. Jahrhundert gegründet wurde, gab es weder Bäume noch Wasser. Dank drei Quellen in den dahinterliegenden Bergen – die sich wunderbar für Wanderungen anbieten - konnte schon bald mit dem Anbau von Kräutern und Gewürzen begonnen werden, bevor der riesige Botanische Garten mit mehr als 850 Bäumen und Pflanzen aus aller Welt angelegt wurde. Besonders eindrucksvoll ist ein riesiger Ficus, dessen Luftwurzeln und Äste kaum voneinander zu unterscheiden sind.

Informationen

Unterkünfte in Kibbutzim sind in der Regel familienfreundlich und gut ausgestattet, allerdings ohne jeglichen Luxus. Auch bei Einheimischen sehr beliebt. Die Mahlzeiten werden meistens im allgemeinen Speisesaal eingenommen. Die Buffets sind vielfältig mit großer Auswahl an vegetarischen Gerichten.

Die Reise erfolgte auf Einladung des Staatlichen Israelischen Fremdenverkehrsamts. Mehr Infos: de.goisrael.com

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.

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