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Ein Traum in Weiß: Hamburgs noble Ecken

Die beiden Damen, zurückhaltend-elegant gekleidet, dezent geschminkt, sitzen auf der Parkterrasse des „Witthüs“, nippen an ihrem Tee und unterhalten sich angeregt: Es geht um ihre Gärtner, die ihnen nicht sorgfältig genug arbeiten. Offensichtlich sind auch Villenbesitzer an der Elbchaussee von Sorgen geplagt. Von Wilfried Kropp

Das Witthüs, plattdeutsch für „weißes Haus“, ist ein reetgedecktes Haus im Blankeneser Hirschpark, das bekannt ist für seine Teekultur und guten Kuchen. Hier trifft sich die bessere Gesellschaft und die „jeunesse dorée“ aus den westlichen Hamburger Elbvororten. Das ehemalige Bauernhaus wurde vor etwa 300 Jahren vom Reeder Johann Cesar Godefroy gekauft und als Gästehaus genutzt. Gegenüber ließ sich Godefroy eine weiße Villa im klassizistischen Stil bauen, die heute von der Ballettschule Lola Rogge genutzt wird. Es ist eine Idylle: Uralte, riesige Bäume geben Schatten, auf dem weitläufigen Wiesengelände spielen Kinder – und in nur 300m Luftlinie entfernt schieben sich die großen Pötte in Richtung Hafen.

Blau, rot und weiß

Hamburg hat viele Facetten: Es gibt das „blaue Hamburg“ am Wasser, das „rote Hamburg“ der Speicherstadt und des Kontorhausviertels, das quirlige Hamburg in St. Pauli – und es gibt das „weiße“ Hamburg, das Hamburg mit hellen Stränden, prächtigen Villen, den schicken Hotels an der Alster. Für Besucher aus Österreich kaum vorstellbar: Hamburg hat an der Elbe natürliche Strände mit hellem, feinem Sand. Das Falkensteiner Ufer in Wittenberge („weiße Berge“) ist so ein Rückzugsort, eine stille Oase westlich des Hamburger Stadtteils Blankenese. Die nackten Füße in den Sand strecken, bis die Sonne dramatisch im Westen untergeht, das auf- und ablaufende Wasser des Gezeitenstroms beobachten – das hat etwas Meditatives. Wenn dann ein Container-Riese bei auflaufender Flut in Richtung Hafen gleitet, stellt sich das richtige Hamburg-Gefühl ein.

Postkarten-Schönheit

Eine gute halbe Stunde Fußweg Richtung Osten und man ist in einer anderen Welt: Dem Treppenviertel in Blankenese. Pittoreske Häuser, die meisten mit weißen Fassaden, kleben am Steilhang. Eine Postkarten-Schönheit. Angeblich gibt es in Blankenese 58 Treppen mit 4.864 Stufen. Postboten und Paketdienste haben es hier schwer. Wer es gemütlich-deftig mag, legt eine Pause am Schiffsanleger ein: Das Opn Bulln ist ein einfaches Bistro, das auf Pontons im Wasser schaukelt; gegenüber hat sich der „Fischclub“ einen Namen als Restaurant mit bester Aussicht gemacht. Deutlich eleganter geht es auf der Terrasse des Hotel Louis C. Jacob zu. Unter dem dichten Blätterdach alter Linden treffen sich vom Nachmittag bis in die späte Nacht Hotelgäste und Einheimische und genießen den Ausblick auf die Elbe. Max Liebermann malte diese Szenerie im Auftrag der Hamburger Kunsthalle, die das Bild in ihre wertvolle Impressionisten-Sammlung aufnahm. Im Hotel hängt etwas versteckt ebenfalls ein Original von Max Liebermann. Wenn das Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 von Hamburg aus auf große Fahrt geht, wird auf der Jacob-Terrasse ein noch relativ junges Ritual praktiziert: Da darf die alte Böller-Kanone, die immer noch die Terrasse ziert, drei Schüsse abgeben, Mitarbeiter und Gäste winken mit Bettlaken Farewell und alle singen „God save the Queen“. Ein Gänsehaut-Feeling.

Reich und diskret

Zurück zur Elbchaussee, Richtung Innenstadt. Hier gewinnt man einen Eindruck, wie in Hamburg die wirklich reichen Familien leben. Die Einfahrten sind gesäumt von großen, weiß blühenden Rhododendron-Büschen, die Villen dahinter sind in der Regel gar nicht zu sehen. Hamburg gilt in Deutschland als die Stadt der Milliardäre, etwa 20 sind öffentlich bekannt, beispielsweise die Familie Reemtsma (früher Inhaber einer Zigarettenfabrik), Klaus-Michael Kühne (Kühne & Nagel, Logistik), Michael Otto (Online-Handel), die Familie Herz (Beiersdorf, Tchibo), Heinz Bauer (Medien), Günther Fielmann (Brillen), Dieter Schnabel (Helm, Chemielogistik). Einige wohnen an der Elbchaussee, andere in den Vierteln rund um die Außenalster. Darüber hinaus gibt es noch etwa 1.000 Einkommensmillionäre, die ihre Einnahmen in Hamburg versteuern.

Intellektuelle Delikatessen

Von der eleganten Elbchaussee geht es über die „Himmelsleiter“ runter zur „Strandperle“, direkt am Elbstrand gelegen, mit Blick auf den Containerhafen. An der Strandperle schnappt man sich ein Bier, kauft sich eines der legendären Fischbrötchen und setzt sich einfach in den feinen Sand: Schiffchen schauen, in die Sonne blinzeln, nichts tun. In der Innenstadt, die in Hamburg Neustadt heißt, fallen die Alsterarkaden ins Auge. Die weißen Säulen direkt am Alsterfleet vermitteln einen mediterranen Eindruck. Die Mellin-Passage, die die Alsterarkaden mit der Luxusmeile Neuer Wall verbindet, ist 1864 entstanden und bestens erhalten. Ein Schmuckstück! Immer einen Besuch wert ist die Buch- und Kunsthandlung Felix Jud am Ende der Passage. Von Karl Lagerfeld ist der Satz überliefert: „Felix Jud ist mein intellektuelles Delikatessengeschäft, und ohne sie würde ich verhungern.“

Von den Alsterarkaden sind es nur ein paar Schritte zum Jungfernstieg. Noch einmal ein Bilderreigen in Weiß: Weiße Schwäne, weiße Alsterschiffe, weiße Häuser. Die Flotte der Alsterschiffe fährt zwar nicht mehr im Liniendienst, doch bei einer Kanalfahrt zeigt sich Hamburg noch einmal von der besonders noblen Seite: Es geht vorbei an gepflegten Grünanlagen und Gärten, unter niedrigen Brücken hindurch, man passiert versteckte Villen und Konsulatsgebäude und schaut dem Treiben an den Kanu-Verleihstationen und auf den Terrassen der trendigen Bistros am Wasser zu.

Hanseatisches Understatement

Und dann der neue Stern am Hamburger Hotelhimmel: The Fontenay – hier hat sich der HSV-Mäzen und Milliardär Klaus-Michael Kühne seinen Traum von einem zeitgenössischen Luxushotel erfüllt. Das fast 30m hohe Atrium mit Blick auf Außenalster und Park ist auch für Hamburger und Nicht-Hotelgäste geöffnet – ideal für eine Nachmittagspause mit Kaffee und Kuchen.

Die Tour durch das „weiße Hamburg“ endet in einem der besten Stadthotels Europas: Im Hotel Fairmont Vier Jahreszeiten, einem Prachtbau aus dem späten 19. Jahrhundert, direkt an der Binnenalster, selbstverständlich mit weißer Fassade und dem charakteristischen, grünen Kupferdach. Treffpunkt und Rückzugsort ist die „Wohnhalle“. Schon aus dem Namen spricht hanseatisches Understatement. Die Wohnhalle ist ein Refugium der Stille und der Eleganz. Hier wird nachmittags der Königin Viktoria Afternoon Tea serviert: Mit Scones, Clotted Cream, frisch zubereiteten Sandwiches, Patisserie und selbstverständlich Tee, von einem Tea Master mit großer Sachkenntnis offeriert. Wer es noch anregender haben will, bestellt ein Glas Veuve Clicquot Champagne dazu. Aber eigentlich ist das weiße Hamburg ja anregend genug.

KOMPAKT TIPPS 

  • Witthüs im Blankeneser Hirschpark
  • Speicherstadt Museum
  • Teatime in der Wohnhalle des Hotels Vier Jahreszeiten
  • Rooftop Bar im Hotel The Fontenay
  • Joggen rund um die Alster
  • Impressionisten in der Kunsthalle
  • Schiffe schauen an der Strandperle in Övelgönne
  • Über die Alster schippern
  • Mit der Fähre (62) nach Finkenwerder und gebratene Scholle essen
  • Von Blankenese mit der Fähre über die breite Elbe nach Cranz und dann mit dem Fahrrad durchs Alte Land
  • Freie Fahrt mit Bus, Bahn und Fähren: Mit der Hamburg CARD. Sehr empfehlenswert.

Der Autor

Wilfried Kropp bestaunte als Jugendlicher in Hamburg die ersten Hochhäuser Deutschlands und ist später zu einem Fan der „schönsten Stadt Deutschlands“ geworden. An Hamburg mag er die Vielfalt des urbanen Lebens – vom rauen Kiez bis zur eleganten Elbchaussee, von der historischen Speicherstadt bis zur modernen Hafen City.

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Freie Journalistin

Christiane Reitshammer war von 2003 bis 2012 Teil des Redaktionsteams. Nun ist sie als freie Journalistin gerne für „tip“ und „reisetipps“ unterwegs und sucht für reisetipps.cc die besten Tipps heraus.

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