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Edinburgh: Whisky ist Sonne im Glas

Der Mann war ein Ire, wie es irischer nicht geht. Aber er hat diesen einen Satz geschrieben, für den sie ihn sich wohl ohne Zaudern hier in Schottland als einen der ihren einverleibt hätten. „Whisky“, sagte einst der Dichter George Bernhard Shaw, „Whisky ist flüssiges Sonnenlicht.“ Und es gibt niemanden auf der Welt, der ihn besser verstünde als die Menschen hier in Edinburgh. Von Uwe Nesemann

Wer glaubt, Whisky sei nur ein alkoholisches Getränk, ist fehl am Platz in Schottlands Hauptstadt. Whisky ist Lebensgefühl, Philosophie, Emotion, manchmal auch Medizin. Und Whisky ist natürlich nicht gleich Whisky. Vielfältig ist er wie das Licht der Sonne, das er laut Shaw eingefangen hat. Und wie die Landschaften Schottlands, in denen er hergestellt wird. Fünf große Sorten unterscheiden sie: den Whisky aus den Highlands im Norden, den aus den Lowlands weiter im Südosten, dazu Speyside, Campbeltown und den Whisky von Islay, das „Eilah“ ausgesprochen wird und dessen Whisky so ungehörig rauchig riecht und schmeckt, als habe gerade jemand eine kräftige Havanna darin gepafft.

Whisky Experience

Wer eintauchen will in die Geschichte und die Geheimnisse des schottischen Whiskys, der muss die „Scotch Whisky Experience“ besuchen, oben in Edinburghs Royal Mile, nur einen Steinwurf entfernt vom mittelalterlichen Castle, das herrschaftlich und gelassen über der Altstadt thront. In der „Experience“ wissen sie alles über Schottlands Nationalgetränk, man darf riechen und verkosten, erfährt alles über Herstellung und Historie des Whiskys und darf einen Blick werfen in die wohl größte Sammlung ungeöffneter Whisky-Flaschen, die es jemals auf dieser Welt gegeben hat: knapp 3.400 Bouteillen, gesammelt seit 1970, aufgereiht hinter Glas und laut Fachblatt „Whisky Advocate“ eines der sieben Weltwunder des Scotch Whisky.

Zusammengetragen hat sie freilich kein Schotte, sondern ein Brasilianer namens Claive Vidiz, dessen Konterfei der Besucher ebenfalls bewundern kann. Und falls jemandem auffallen sollte, dass manche Flaschen nicht mehr voll sind, obwohl sie ja verschlossen sein sollen, erfährt er gleich noch etwas über die Geheimnisse des „angel's share“: Das nämlich ist die Menge, die auch aus verschlossenen Gebinden verdunstet - oder, wie die Schotten es sagen: Es ist der Teil des Whiskys, den sich die Engel holen. Denn es könne ja wohl kein Zweifel darüber herrschen, dass natürlich auch die Himmelswesen regelmäßig Whisky trinken. Schottischen Whisky.

Schmuckkasten Edinburgh

Aber es ist nicht nur der Whisky, der die Besucher nach Edinburgh lockt. Die schottische Hauptstadt rühmt sich, nach London die Stadt mit der zweithöchsten Besucherzahl Britanniens zu sein. Das liegt zum einen an der Vielzahl von Sehenswürdigkeiten, zum anderen an einer Festival-Fülle, die ihresgleichen sucht. Eigentlich ist in Edinburgh immer gerade irgendein Festival, egal ob es mit Musik, Literatur oder Theater zu hat. Das bekannteste ist wohl das „Royal Edinburgh Military Tattoo“, das jedes Jahr für drei Wochen im August direkt vor dem Castle stattfindet. Höhepunkt der Militärmusik ist stets der Auftritt der „Massed Pipes and Drums“, einer eigens für das „Tattoo“, wie es die Edinburgher kurz nennen, aus mehreren Militärkapellen zusammengestellten Formation von etwa 180 Dudelsackspielern und Trommlern. Karten für das „Tattoo“, was so viel heißt wie „Zapfenstreich“, sind allerdings in der Regel schon Monate im Voraus vergriffen.

Doch auch ohne die Militärmusiker lohnt sich ein Abstecher an den „Firth of Fourth“, der die Stadt nach Norden hin von den Ausläufern der Highlands abgrenzt. Edinburgh spart nicht mit mittelalterlichen Reizen, gleichzeitig wirkt die Stadt modern, offen und tolerant. Dies gilt gleichermaßen für die Altstadt wie auch die Neustadt, die erst vor rund 250 Jahren im Stile der Aufklärung entstand, als sich die wohlhabenden Kaufleute eine „bessere“ Wohngegend schaffen wollten. In den Restaurants und Pubs, in denen man inzwischen auch sehr gut essen kann, trifft man Menschen aus aller Herren Ländern, und überraschend viele von ihnen leben und arbeiten hier. Der Umgangston ist freundlich, und man muss auch keine Angst haben, nicht verstanden zu werden oder nichts zu verstehen: Weiter im Norden mag man mit seinem Schulenglisch nicht weit kommen, in Edinburgh aber funktioniert es noch.

Wolllieferanten und Kiltmaker

Viel fragen aber muss man ohnehin nicht, wer durch die Stadt bummelt, kann sich eigentlich nicht verlaufen. Zum einen ist da die „Royal Mile“, die oben vom Castle hinunter führt zum neuen Parlament und dem Holyrood Palace, in dem einst die Stuarts regierten und der den Royals bis heute als Wohnsitz dient, wenn sie in Edinburgh weilen. Auf der „Mile“ reihen sich Geschäfte an Geschäfte, vor allem Woll-Produkte werden angeboten. Ein Wunder ist das nicht: Schottland hat 5,3 Mio. Einwohner, aber 6,9 Mio. Schafe.

Auch viele Kiltmaker haben hier in der „Royal Mile“ ihr Domizil. Aber Vorsicht: Wer sich einen Schottenrock mit nach Hause nehmen möchte, sollte auf Qualität achten. Alles in allem kostet solch ein Kleidungsstück um die 1.000 EUR, wenn es etwas taugen soll. Dafür erwirbt man aber auch das Privileg, einen Dolch im Strumpf bei sich führen zu dürfen, was ansonsten in Schottland streng verboten ist.

Die zweite große Einkaufsstraße Edinburghs ist die Princess-Street, auf die man stößt, wenn man hinüber in die Neustadt wechselt, etwa über die Northern Bridge. Parallel hierzu verläuft die George- Street, benannt nach King George III. und heute vor allem bekannt für prachtvolle Hotels, Boutiquen und gute Restaurants. Als sie seinerzeit gebaut wurde, machte man zur Bedingung, dass eine Kutsche mit vier Pferden dort problemlos wenden können musste. Eine Vorgabe, dank derer St. George Street heute das Flair der großen europäischen Boulevards verstreut.

Verrückte Schönheit

Edinburghs Charme lässt sich leichthin in wenige Worte fassen. Es ist das Spiel zwischen Historie und Lebensfreude, zwischen dem Atem der Geschichte und kleinen Verrücktheiten. Überall trifft man auf Zeugen der Vergangenheit, seien es königliche Mauern oder eine der vielen alten Kirchen wie St. Mary's Cathedral. Manche dieser Zeugen der Geschichte sind greifbar, andere sind Legenden. Wie die von König Artus und seinen Rittern, die angeblich draußen vor der Stadt in „Arthur's Seat“, einem 250 Meter hohen Vulkanfelsen, schlafen – so lange, bis sie von den Bürgern von Edinburgh wieder gebraucht werden. Dass König Artus wirklich hier liegt, ist nicht einmal so unwahrscheinlich: Sein Gefährte, der Zauberer Merlin, lebte angeblich gar nicht weit entfernt, in Glasgow.

Greifbar hingegen sind die zahlreichen „Closes“, Hinterhöfe, in denen sich einst das Leben in Edinburgh abspielte. Der vielleicht schönste ist „White Horse“, eine ehemalige Wechselstation für Kutsch-Pferde, die von hier aus Reisende nach London brachten. 12 Tage brauchte man seinerzeit bis zur Stadt an der Themse. Zeugen der Vergangenheit sind natürlich auch die zahllosen Denkmäler der Stadt, angefangen bei jenem für den Nationaldichter Sir Walter Scott im Park an der Princess Street, das wegen seiner Ähnlichkeit mit einer Rakete „the rocket“ genannt wird, oder jenem von General Wellington, der hoch zu Ross mit der ausgestreckten Hand nach Waterloo weist, wo er einst Napoleon besiegte. Gerne erzählt man sich übrigens, dass das Denkmal Wellingtons, der ja „Iron Duke“ genannt wurde, gar nicht aus Eisen, sondern aus Bronze ist – zudem erbaut von einem gewissen John Steel!

Die Schotten lieben solch skurrile Dinge, und sie verstehen es, über alles zu lachen, auch über sich selbst. So hört man immer wieder, dass in Schottland Hogmanay, das Silversterfest, so wild gefeiert wird, dass man sich hier zum Jahresbeginn gleich zwei Feiertage zum Ausruhen gönnt. Apropos Silvester: Das ist der einzige Tag, an dem die Uhr oben auf dem Turm des Balmoral-Bahnhofes richtig geht. An allen anderen Tagen geht sie ein paar Minuten vor, mit Absicht – damit die Schotten sicher sein können, ihren Zug zu erwischen. So bleibt ja noch ein Moment für einen schnellen Whisky zwischendurch. 

Informationen

Anreise

Vom 30. März an steuert der britische Ferienflieger jet2.com zweimal wöchentlich (montags und freitags) Edinburgh direkt von Wien aus an.

Hotels

Kaum eine europäische Stadt hat pro Kopf so viele Hotelbetten wie Edinburgh – aber dank der zahllosen Festivals sind alle fast immer nahezu ausgebucht. Vernünftige Doppelzimmer unter 100 Pfund (ca 113 EUR) findet man eigentlich gar nicht. Empfehlenswert: Das Principal in der George Street für etwa 200 EUR pro Nacht (DZ): Super Lage, alt-britisches Ambiente und fabelhaftes Frühstück

Shopping

Royal Mile und Princess Street bieten eine Vielzahl an Läden. Gefragt sind neben Whisky Woll- und Tweed-Produkten natürlich echte schottische Kilts – zum Beispiel bei Gordon Nicolson in der Royal Mile, der eine eigene Akademie gegründet hat, um das Handwerk der Kiltmaker am Leben zu halten.

Essen und Trinken

Fish & Chips, klar. Am besten in einem Pub, zum Beispiel dem Doric in der Market Street 15 – 16, dem ältesten Pub Edinburghs, oder dem Café Royal nahe dem Balmoral Bahnhof. Und wenn's schnell gehen soll: Oink! Mehrere Filialen, zum Beispiel in der Victoria Street, bieten „pulled porc“ zum mitnehmen.

Events und Ausflüge

Mary King's Close (Royal Mile) – eine Stunde in Edinburghs Unterwelt bietet eine Reise in die Vergangenheit (www.realmarykingsclose.com)
Tranquair House – eine knappe Autostunde südlich von Edinburgh steht die ehemalige Residenz der Stuarts, heute Gästehaus, Brauerei und Museum (www.traquair.co.uk)

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Freie Journalistin

Christiane Reitshammer war von 2003 bis 2012 Teil des Redaktionsteams. Nun ist sie als freie Journalistin gerne für „tip“ und „reisetipps“ unterwegs und sucht für reisetipps.cc die besten Tipps heraus.

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