Aletsch: Besuchen Sie den Gletscher….
Wer hat den Größten?
Was haben Barrier Reef, Serengeti und Jungfrau-Aletsch gemeinsam? Sie alle zählen zu den einzigartigen Regionen der Welt, was ihnen die Auszeichnung eines UNESCO Welterbes beschert hat. Über 824 km² und 23 Gemeinden im Wallis und im Berner Oberland erstreckt sich diese imposante Naturlandschaft in den Schweizer Alpen, die eine unglaubliche Biodiversität mit mehr als 900 Arten aufweist.
350km² sind vergletschert, neun Berge sind höher als 4.000m, 50 höher als 3.500m. Mit 20km Länge ist der Aletsch-Gletscher der größte und längste der Alpen. Auf den ersten Blick scheint diese Region von menschlichem Einfluss größtenteils unberührt zu sein. Doch der Klimawandel lässt das ewige Eis pro Jahr um bis zu 50m schrumpfen. Seit 1870 sind 50% des Eises geschmolzen.
Kräuter-, Stein- und Bergnarren

Über 30km – drei Tagesetappen – erstreckt sich der Aletsch Panoramaweg von der Belalp bis nach Bellwald. Da die Moränenhänge durch die Klimaerwärmung instabil geworden sind, führt heute eine 124m lange Hängebrücke über die Massaschlucht von der Belalp zur Riederalp. Das autofreie Dorf auf 1.925 m Höhe ist ein beliebter Urlaubsort, sommers wie winters.
Das war nicht immer so. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Wiesen ausschließlich für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Als die ersten Touristen – „sonderbare Gestalten mit unverständlichen Lauten“, heißt es in einer Chronik - auftauchten, sorgten sie bei den Einheimischen für Verwunderung: „Kräuter-, Stein- und Bergnarren“ wurden die Besucher genannt. Einer von ihnen war der Bankier Ernest Cassel, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Riederfurka eine Sommervilla errichten ließ, wo er auch gerne illustre Gäste empfing. Darunter Winston Churchill, der in der Abgeschiedenheit der Berge die Biographie seines Vaters verfassen wollte. Allein, das Gebimmel der Kuhglocken störte seine Ruhe. Die Bauern zeigten wenig Verständnis, sodass Cassel einen „Deal“ vorschlug: Gegen ein kleines Entgelt stopften die Senner Heu in die Glocken und schon kehrte Stille ein. Heute ist in der Villa das Pro Natura Zentrum Aletsch untergebracht, das sich Umweltbildung und Naturschutz widmet.
Arven, Lärchen, Erika

Ab der Villa Cassel führt ein Erlebnisrundweg durch den Aletschwald, der ebenfalls Teil des Welterbes ist. Von einer Kuppe lassen sich - bei klarer Sicht – im Süden die höchsten Walliser Berge, Dom, Matterhorn und Weisshorn, bestaunen.
Zwischen Arven, den Schweizer Zirben, Lärchen, Erika und Alpenrosengrün wandern wir in Richtung Märjelensee. Nach etwa 50 Minuten sehen wir vor uns im Norden die ersten schneebedeckten Gipfel.
Noch ein paar Schritte und dann zeigt sich uns auch die Gletscherzunge. Majestätisch windet sich das Eis in Grau, Blau und Weiß, eingerahmt von immer mehr Felsen, talwärts. Die nächsten Stunden werden wir den Aletsch Gletscher immer wieder aus einer anderen Perspektive bestaunen. Am Bettmerhorn vorbei beginnen wir mit dem Abstieg zum Märjelensee. Jetzt ändert sich die Vegetation langsam, weniger Arven, mehr Wollgras sowie Tümpel und Seen. Immer wieder treffen wir auf Herden von Schwarznasenschafen, der typischen Rasse im Oberwallis. Gesicht und Ohren sind – richtig – tiefschwarz. Ebenso Knie und Füße sowie die Schwanzspitze. Unglaublich putzige Tiere.
Fußpflege auf der Fiescheralp

Nach einer kurzen Rast in der Gletscherstube brechen wir zur letzten Etappe des Tages auf: Durch den ein Kilometer langen Tälligrattunnel – Stirnlampe und warme Jacke sind hilfreich – trotten wir die Schotterstraße entlang.
Am Ende eines langen Tages – der Weg ist größtenteils flach – schlägt das Herz noch einmal höher: Die prächtigen Walliser Viertausender im Süden, tiefblauer Himmel, das warme Licht der schräg stehenden Sonne, im Vordergrund knallrosa Springkraut. Nach 17km, 1.020 Höhenmetern bergauf, 755 bergab, erreichen war nach knapp sechseinhalb Stunden unser Ziel: die Fiescheralp. Höchste Zeit für eine heiße Dusche und reichlich kühlenden Fußbalsam!
Konkordia-Platz: Treffpunkt der Gletscher

Wer wenig Zeit und Energie investieren will, kommt einem umfassenden Gletscherlebnis auf dem Aussichtspunkt Eggishorn – gut erreichbar per Gondelbahn - am nächsten. Von hier sind die Gipfel von Eiger, Mönch und Jungfrau ebenso zu sehen wie die 20km lange Gletscherzunge.
Und auch der Konkordia-Platz, der Zusammenfluss von den vier Gletschern Aletschfirn, Jungfraufirn, Ewigschneefäld und Grüneggfirn. Nach einem fast obligatorischen Fotostopp legen wir noch einen Abstecher auf den 2.927m hohen Gipfel des Eggishorns ein. Wir wollen alles sehen. Und alles erleben. Ab jetzt sind Wanderstöcke gefragt. Rund 1.900 m müssen wir absteigen bis nach Bellwald. Und wieder ändert sich die Landschaft. An der „Burg“, einem vom Gletscher geschliffenen Felsmassiv aus Gneis vorbei, rücken der Fiescher Gletscher und die Gommer Bergewelt ins Bild.
Noch ein großes Hindernis liegt vor uns: Die Aspi-Titter Hängebrücke. 160m lang, 90m über dem Wyssbach, knapp einen Meter breit, bietet sie – Schwindelfreien oder Wagemutigen – eine adrenalinreiche Abkürzung auf dem Weg nach Bellwald. Die ambitioniert geplanten fünf Stunden für die 13km haben wir ganz knapp geschafft. Sehr zur Freude von Wanderleiter Klaus.
César Ritz, vom Bauernkind zum Luxus-Hotelier
Bellwald, einer der sonnenreichsten Orte der Schweiz, ist seit 1500 v. Chr. besiedelt. Kelten, Römer, Griechen, Alemannen – alle waren sie hier. Der Dorfkern gleicht einem Freiluftmuseum mit typischen Walliser Holzhäusern, Ställen und Speichern. Die Dächer sind mit Arvenschindeln gedeckt. „Die halten ungefähr 60 Jahre, das war damals ein Leben lang“, erklärt Urban Paris von der Stiftung Alt Bellwald, die sich dem Erhalt der traditionellen Gebäude verschrieben hat. Einer der bekanntesten Söhne der Region ist Cäsar – später César - Ritz.
Als 13. Kind einer Familie in Niederwald geboren, hütete er als Kind Ziegen und besuchte im Winter die Schule. Er begann als Kellner zu arbeiten, doch sein Chef hielt ihn für völlig unbegabt. So ging Cäsar mit 17 nach Paris und arbeitete sich in der Hotellerie vom Schuhputzer zum Zimmerkellner und bis zum Direktor hinauf. Der Rest ist Geschichte: Unter seinem Namen firmieren heute zahlreiche Luxushotels in aller Welt. Nach seinem Tod etablierte seine Witwe eine Stiftung für eine Ausbildungsstätte für Jugendliche in Goms.
KOMPAKT
ANREISE
Flug mit Swiss oder Austrian nach Zürich, weiter mit öffentlichem Verkehr. Alternativ mit der Bahn bis Zürich.
ALETSCH PANORAMAWEG
30 km, 3 Tagesetappen, von Belalp nach Bellwald Achtung: die Schweizer Zeitangaben für die Wegstrecken sind meistens sehr ambitioniert berechnet
PREISBEISPIEL
Aletsch Panoramaweg Wallis, 7 Tage/6 Nächte, gesehen bei Eurohike / Eurotrek. Ab 1.259 EUR

Die Autorin
Verlegerin Elo Resch-Pilcik hat es das imposante Panorama rund um den Aletsch-Gletscher angetan. Nur die Hängebrücke hat sie etwas aus dem Gleichgewicht gebracht.
Die Reise wurde unterstützt von Schweiz Tourismus und Eurotrek