Skip to Content

Albanien: Unterschätzte Schatzkammer

Wohl kaum ein Land auf der touristischen Landkarte sieht sich mit so vielen Vorurteilen konfrontiert wie Albanien. Und wie Vorurteile das so an sich haben, sind sie auch in diesem Fall völlig unberechtigt. Von Elo Resch-Pilcik

Ein kleines Land mit enorm viel Potenzial, das es sich hoffentlich auch weiterhin erhält. Wer sich erst mal darauf einlässt, wird überreich belohnt: üppig grüne Landschaften mit schroffen Bergen, Weingärten und Wiesen, gesprenkelt mit alten Bunkern, flache Sandstrände am Mittelmeer und reichlich Kultur. Dazu überaus gastfreundliche Menschen, die ihre Freude über das Interesse der Besucher ganz offen zeigen.

Gute Erreichbarkeit

Die Anreise ab Flughafen Wien nach Tirana (TIA) dauert mit Austrian oder Wizzair nur knappe 1,5 Stunden. Guide Mario und Fahrer Jimmi bringen uns direkt in das Luxury Adriatik Hotel & SPA in Durres. Neben der Lage am Strand punktet das Traditionshaus, das in den 1970er Jahren das bevorzugte Hotel der albanischen Nomenklatura war, mit seinem Queen Teuta SPA. Indoor-Pool, Whirlpool, Sauna, türkisches Bad und jede Menge entspannende Behandlungen in modernster Umgebung lassen den Alltag aufs Angenehmste vergessen.

Lange Geschichte

Der Hafen von Durres wurde von den Illyrern im 7. Jh. v. Chr. errichtet. In den nächsten Jahren wird der Industriehafen in den Norden abgesiedelt, da mithilfe der EMAR Group aus den Arabischen Emiraten eine Marina mit Stränden und Hotels sowie ein Hafen entstehen sollen, die Nummer eins am Balkan, wird uns später die Bürgermeisterin von Durres, Emiriana Sako, erzählen. Das Investitionsvolumen für das ehrgeizige Projekt beträgt 2 Mrd. USD.

Zurück aus der Zukunft wenden wir uns den Sehenswürdigkeiten der Stadt zu, die im Herbst 2019 von einem verheerenden Erdbeben erschüttert wurde. Von den Schäden sieht man heute fast nichts mehr. Auch am Land fallen die durchwegs gepflegten, meistens neuen Einfamilienhäuser ins Auge.

Größtes Amphitheater am Balkan

Durch Zufall – beim Bau eines Weinkellers – wurde das Amphitheater aus dem 2. Jahrhundert, das drittgrößte der Welt entdeckt. Zwischen 15.000 und 20.000 Personen fanden Platz, um den blutigen Gladiatorenspielen zu folgen. Die Privathäuser am Hügel, in den die – nur teilweise freigelegte - Anlage von den Römern gebaut wurde, sollen demnächst geschleift werden, um die Erhaltung des antiken Bauwerks sicherzustellen.

Nach einem kurzen Blick auf die byzantinische Kapelle unter der ehemaligen Ehrenloge spazieren wir zur 3,5m breiten Festungsmauer. Sie umgibt die Festung, deren Venezianischer Turm als das Wahrzeichen von Durres gilt.

Villa Austria 1843

Ein wunderschönes Beispiel, was Hingabe und Privatinitiative bewirken können, ist die hingebungsvoll gepflegte Villa Austria 1843 der Familie Tedeschini, die Joseph und Alma heute als B&B betreiben und auch selbst bewohnen. Errichtet wurde das zweistöckige Gebäude 1843 von Josephs Urgroßvater, der Konsul der österreichisch-ungarischen Monarchie war. Geschichte ist hier in jeder Ecke allgegenwärtig. Auch die vielzitierte Gastfreundschaft. Alma heißt uns nach lokaler Tradition mit Glyko-Kirschen willkommen. Das Süße soll das Böse abwehren. Dazu kredenzt Joseph Raki, einen Schnaps aus Trauben, bevor er aus einem Geschichtsbuch über seine Vorfahren vorliest, auf Deutsch. Drei Doppelzimmer, in Ausnahmefällen auch das ganze Haus, werden vermietet. Ab 50 EUR pro Nacht für zwei Personen inklusive Frühstück. Alma sagt, nur 5% der Leute in Albanien würden die Bedeutung der Villa und ihrer Geschichte verstehen. Bleibt zu hoffen, dass die Familie den kostspieligen Erhalt der Villa auch weiterhin stemmen kann.

Düstere Zeugen

Bevor wir in die Vergangenheit abtauchen, legen wir noch einen Zwischenstopp im Weingut Abaia bei Evald Dome ein. Der junge Winzer kultiviert seine eigenen Trauben erst seit drei Jahren. Seinen Wein macht er vorerst aus zugekauften Reben, Sangiovese, Kalmat, Weißer und Schwarzer Shesh, nur drei von insgesamt acht autochthonen Weinsorten in Albanien. Auch beim Wein kann Albanien auf eine Jahrtausende alte Tradition zurückgreifen, was vielleicht einer der Gründe für die hervorragenden Tropfen ist.

Seine Weinkellerei hat Evald in einem alten Bunker angesiedelt. 168.000 dieser hügelförmigen Schutzräume sind im Land verstreut. Bunk Art, einer der größten, erstreckt sich über fünf Stockwerke unter der Erde und hätte 252 Personen Platz geboten. Errichtet in den 1970er Jahren unter der Diktatur von Enver Hoxha, der die Idee nach einem Besuch in Nordkorea aufgegriffen hatte. Die Bauten sollten vor einem atomaren Angriff aus dem Westen schützen. Verwendet wurden sie nie.

Hauptstadtflair

Für Tirana, ca. eine halbe Stunde von Durres entfernt, bleibt nur wenig Zeit. Durch die revitalisierte Altstadt mit zahlreichen Cafés und Bars bummeln wir durch das frisch renovierte Regierungsviertel zum Skanderbeg Platz, dem Hauptplatz Tiranas. An ihn grenzen der Uhrturm, bunt gestrichene Ministerien und die Et’hem Bey-Moschee mit wunderschönen Wandmalereien.

In Albanien, offiziell ein muslimisches Land, spielt Religion keine große Rolle. Zu Zeiten der Diktatur galt Albanien als erstes atheistisches Land, 1968 wurde der Besuch von Moscheen gar verboten. Heute werden neue Gebetshäuser errichtet, mit ausländischer Finanzierung, wie etwa die große Moschee in Tirana, die der türkische Staat den Gläubigen zum Geschenk gemacht hat.

In der Nähe des Monumentalbaus liegt die Taverna Zoto, ein Familienbetrieb. Mutter und Tochter Dana stehen gemeinsam am Herd und bereiten köstliche Hausmannskost zu. Dana, die als Au-pair und dann als Studentin in Deutschland gelebt hat, erzählt uns ihre Geschichte in fließendem Deutsch, mit leichtem Kölnischen Einschlag.

Von Herzen

Mit dem UNESCO Weltkulturerbe Berat wartet einer der Höhepunkte der Reise auf uns. Die neun Hektar große Burganlage aus dem 4. Jahrhundert vor Christus wird heute vor allem von Häusern aus der ottomanischen Zeit geprägt. Bis zu 40 Kirchen und Moscheen waren zur Blütezeit aktiv. Die wenigen Einwohner verdienen sich mit selbst hergestellten Souvenirs und B&B etwas dazu. Wie Leta Heqimi, die seit 60 Jahren hier lebt und nun, mit 80, durch Häkelarbeiten, Zimmervermietung und Kaffee ihre magere Pension aufbessert. Die Herzlichkeit, mit der sie uns empfängt, ist unbeschreiblich. Genau das ist es, was Albanien so anziehend macht. Elo Resch-Pilcik

INFO

Die Reise erfolgte auf Einladung von Luxury Adriatik Hotel & Spa, www.adriatikhotel.com, und Wizzair, www.wizzair.com

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.

Der Artikel hat Ihnen gefallen?
Wir freuen uns, wenn sie diesen teilen!

WEITERE blog ARTIKEL

Tunis Moschee — Foto: Martha Steszl

blog • April 2024

Tunesien à la Carte

Matjeshering, eine der Spezialitäten — Foto: Profi Reisen Verlag / Elo Resch-Pilcik

blog • Februar 2024

Litauen: Wo der Himmel höher ist

Bad Ischl, Salzkammergut, Kurhaus — Foto: Österreich-Werbung / Lisa Eiersebner

blog • Januar 2024

Kulturhauptstädte 2024 - Kultur mit viel Natur

Weitere blog Artikel