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Tessin: Auf den Spuren der Schwarzen Brüder

Mondän und rustikal, mediterran und alpin – im Schweizer Kanton Tessin liegen die Kontraste nah beieinander: Der Sentiero Verzasca folgt einem alten Saumpfad von Sognono bis an den Lago Maggiore. Von Elo Resch-Pilcik

Eine zweitägige Wanderung durch Kastanienwälder und Blumenwiesen, anfangs immer den Bach entlang, vorbei an smaragdgrünen Wasserbecken, typischen Steinhäusern und zahlreichen Mauerfresken.

Heute wirkt Sognono, das hinterste Dorf im Verzasca-Tal, ein bisschen wie ein gut aufgeräumtes Museumsdorf. Die Häuser sind ausnahmslos aus Stein gebaut, mit Steinschindeln auf den Dächern, dazu liebevolle Blumenarrangements, bevorzugt in Rot. Bis ins späte 19. Jahrhundert waren die Bewohner der Ansiedlung bitterarm, so dass kleine, dünne Buben oftmals verkauft wurden, um als Rauchfangkehrer in Mailand zu arbeiten.

Dieses Schicksal hat die deutsche Schriftstellerin Lisa Tetzner in ihrem Jugendbuch „Die Schwarzen Brüder“ verarbeitet. Inzwischen haben die zahlreichen Besucher der Region zu beträchtlichem wirtschaftlichem Aufschwung verholfen. In den Sommermonaten sind die Wasserbecken rund um den „Ponte dei Salti“ in Lavertezzo an schönen Tagen mehr als gut besucht. Der – zumindest in der Früh und am Abend – beschauliche Ort eignet sich gut als Ausgangspunkt für eine zweitägige Wanderung.

TAG 1: SOGNONO – LAVERTEZZO

Der 14km lange, gut beschilderte Wanderweg ist leicht zu begehen und auch für Familien und weniger ambitionierte SpaziergängerInnen gut geeignet, da die Tour an einigen Orten – wie Gerra oder Brione – vorbeiführt, wo auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen werden kann. Für die gesamte Strecke wird etwas mehr als vier Stunden Gehzeit veranschlagt. 260 m Aufstieg stehen 620 m Abstieg gegenüber. Glattgeschliffene Felsbrocken am Ufer laden dazu ein, die müden Füße im herrlich frischen, türkisgrünen Wasser der Verzasca zu kühlen.

Für die Anreise von Lavertezzo nach Sognono empfiehlt sich der öffentliche Bus, der im praktischen Swiss Travel Pass oder auch dem Ticino Ticket inkludiert ist. In Sognono sehenswert sind die Casa Genardini, in der das Tal-Museum untergebracht ist, sowie die Casa della Lana, das Wollhaus, wo bis heute Schafwolle von Hand verarbeitet wird. In Frasco, am Beginn des Wanderwegs, steht eine alte, restaurierte Mühle mit doppeltem Schaufelrad. Am Zielpunkt in Lavertezzo lädt gleich neben der „Römerbrücke“, wie die Steinbrücke aus dem 17. Jahrhundert auch genannt wird, ein gemütliches Grotto, eine lokale Gastwirtschaft, zur Stärkung ein. Wagemutige stürzen sich zur ultimativen Erfrischung von der Brücke in das tiefe Bachbecken. Zur Belohnung sollte man sich unbedingt eine Kugel Pistazieneis – unvergesslich gut und riesengroß! – in der Osteria Vittoria gönnen.

TAG 2: LAVERTEZZO – LOCARNO

Heute wird’s ernst: 21km liegen vor uns, 1.250m Aufstiege, 1.550m Abstiege, gute sieben Stunden Gehzeit. Wobei zu beachten ist, dass die Schweizer Zeitangaben in der Regel sehr sportlich kalkuliert sind. Anfangs wieder die Verzasca entlang, über Moos-bewachsene Pfade, vorbei an verfallenen Steinhütten, durch Laubwälder und über unzählige Steinstufen nähern wir uns dem denkmalgeschützten Corippo, dem kleinsten Dorf der Schweiz mit nur noch zwölf Einwohnern. Eine Siedlung wie aus dem Bilderbuch. 2021 wurde das „Albergo Diffuso“ eröffnet, ein Hotel, das auf mehrere – alte, verlassene und nun liebevoll restaurierte – Häuser verteilt ist und den Ort wieder beleben soll. Ruhe, Naturnähe und Authentizität sind garantiert.

Über Mergoscia erreichen wir den Monte di Lego, mit 1.108m der höchste Punkt der Tour. Von hier aus geht es größtenteils bergab, vorwiegend über Graswiesen, oft unterbrochen von „Lesestein-Mauern“, die dem Vieh den Weg auf die Alm vorgaben. Rinder sehen wir nur vereinzelt, aber noch mehr als Menschen. Gerade mal vier Wanderer sind uns am ganzen Tag begegnet. Mit dem Lago Maggiore erblicken wir endlich unser Ziel, die Filmstadt Locarno auf 197m Seehöhe. Anders als die Schwarzen Brüder, die auf ihrem Weg nach Mailand hier erst ein Viertel ihrer Route geschafft hatten.

VON MEDITERRAN BIS HOCHALPIN

Seine geografische Lage zwischen Alpen und Lugano-See sowie Lago Maggiore macht das Tessin zu einer ganzjährig attraktiven Destination. Während die schneebedeckten Dreitausender im Norden in den ersten Monaten des Jahres noch zum Skifahren einladen, blühen im Süden des Kantons schon Mandeln, Kamelien und Magnolien. Locarno ist dank des mediterranen Klimas nach Lugano der zweitwärmste Ort der Schweiz. Palmen, Zypressen und Zitronen verleihen der Stadt, in der seit 1946 alljährlich im August das Filmfestival veranstaltet wird, südliches Flair. Kultur und Kulinarik lassen sich im Tessin bestens mit Outdoor-Aktivitäten verbinden, Wandertouren umfassen ein Spektrum von leichten, einstündigen Spaziergängen bis hin zu mehrtägigen Trekkings im Gebirge.

KOMPAKT

Eine kleine Routen-Auswahl:
● Die Reben des Südlichen Tessins: An den Hängen des Mendrisotto. Alles dreht sich um den Merlot, der hier auch als Weißwein kultiviert wird. 17km, 4:30 Std., 457m Aufstieg
● Bergsee-Zauber im Val Piora: Rundwanderung über die PioraHochebene. 12km, 3:40 Std., 500m Aufstieg
● Wandern neben dem Wasser: Locarno – Ascona. 11km, 2:40 Std., 100m Aufstieg
● Lugano Trekking: Marathon-Wanderung in drei Etappen, von Brè nach Tesserete. Gesamt 42km, ca. 17:30 Std., 3400m Aufstieg

Anreise
Mit SWISS oder Austrian oder per Bahn (Tag- oder Nachtzug) nach Zürich, von dort in ca. 3 Std. per Bahn via Bellinzona nach Tenero, weiter per Bus nach Lavertezzo.
Swiss Travel Pass
Reisen per Bahn, Bus und Schiff sowie Öffis in mehr als 90 Städten, Gratiseintritt in mehr als 500 Museen, an aufeinanderfolgenden Tagen zum Pauschalpreis; www.sbb.ch
Wandern im Tessin
Der Veranstalter Eurofun / Eurotrek hat mehrere Angebote zu Aktivferien – Wandern und Radfahren – im Programm.  www.eurotrek.ch
Tessin Tourismus: www.ticino.ch
Schweiz Tourismus: www.MySwitzerland.com

Die Reise erfolgte auf Einladung von Schweiz Tourismus / SWISS / Swiss Travel System und Eurotrek.

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.

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