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Ägypten / Wadi el Gemal: Weiße Flecken entdecken

„Diese Gegend war ja eigentlich immer ein weißer Fleck“, sagt Johannes, unser Reisebegleiter, „aber wir wollen die Leute dorthin locken, raus aus dem Hotel und hinein in diese großartige Natur!“ Johannes Girardi ist Hotelmanager und zugleich Projektleiter der Initiative für Ökotourismus in Wadi el Gemal, das seit 2003 Nationalpark und UN-Schutzgebiet ist.

Ziel der Initiative ist, das am Roten Meer gelegene Gebiet südlich von Marsa Alam, das 4.770 km² gebirgige Wüste und 2.000 km² Meereslandschaft umfasst, für sanften Tourismus zu erschließen und damit für dessen Erhaltung zu sorgen. Wir fahren früh am Morgen los. „Da ist das Licht am besten“, meint Gianni Bodini, passionierter Fotograf und Hobby-Archäologe, der diese Gegend schon öfter bereist hat und viel darüber zu erzählen weiß. Den Jeep lenkt Mohamed Gad, Manager des Nationalparks, es geht weg von der Küste, ab in die Wüste.

Die Wüste lebt

Nach rund einer Stunde Fahrt über sandige Pisten erstmals Halt. Die anfänglich breite Ebene ist zusehend schmaler geworden, die Landschaft hügeliger, langgezogene Bergrücken am Horizont. Wadi el Gemal – das „Tal der Kamele“ - ist das Bett eines längst ausgetrockneten Flusses, erklärt Mohamed. Als Beweis sind markante Rillen und Einkerbungen im Fels sichtbar, geformt von früheren Wasserläufen.

Dann deutet er in Richtung Berge: „Es hat offenbar dort geregnet“, stellt Mohamed fest, „wenig Wasser genügt, und die Wüste grünt und blüht!“ Tatsächlich, nach weiterer Fahrt tiefer in den Wadi öffnet sich ein breites Tal, übersät mit zahlreichen Büschen und blühenden Kleinpflanzen. Die scheinbar öde Gegend ist reich an angepasster Vegetation, dazu Lebensraum vieler Wüstentiere. Und Heimat des uralten Beduinenstammes der Ababda.

Im Einklang mit der Natur

Mohamed weiß viel Interessantes zu erzählen: „Die Akazien sind die wichtigsten Bäume der gesamten Arabischen Wüste, sie geben Nahrung für die Kamele, Baumaterial und Brennholz für die Beduinen und das Harz wird als Naturmedizin verwendet.“ Ebenso wichtiger Baum ist die Wüstendattel, sowie ein weit verbreitetes Gestrüpp, das die Eingeborenen Arak nennen. Mohamed bricht einen kleinen Ast und zeigt, wie man damit die Zähne reinigen kann.

Die Einheimischen leben hier im völligen Einklang mit der Natur und gehen sehr respektvoll damit um, erzählt Mohamed. Dazu haben sie viel überliefertes Wissen über die Pflanzen und nützen diese auch als Naturmedizin. Wenig später treffen wir einen Beduinen mit einer Herde Ziegen und Schafe im Schatten einer Akazie. In seinen Händen hält ein neugeborenes Lamm, behutsam bringt er dem störrischen Mutterschaf das Kleine nahe - ein rührender Anblick! Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich zwei Beduinen mit ihren Dromedaren auf.

Mohamed unterhält sich kurz mit ihnen, die beiden sind am Heimweg vom Kamelmarkt in Shalatin, rund 200km entfernt, also schon einige Tage unterwegs. Man kennt sich untereinander, die Ababda-Beduinen leben halb-nomadisch und haben ihre eigenen Regeln.

In der Wüste müssen die Menschen zusammenhalten, ein Außenseiter könnte nicht überleben! Mohamed Ababda Beduine

Smaragde für Kleopatra

Das Gebiet um Wadi el Gemal ist nicht nur wegen seiner schönen, intakten Natur sehenswert, sondern auch wegen seiner langen, interessanten Geschichte. „Das ausgetrocknete Flussbett bot sich als Verkehrsweg für die Karawanen an, es ist Teil der antiken Via Nova Adriana, der Verbindung vom Roten Meer zum Nil“, weiß Gianni Bodini zu erzählen. Der begeisterte Hobbyarchäologe hat sich in seinem Buch „Via est Vita“ ausführlich mit dieser Region befasst. Es waren die Ptolemäer und vor allem die Römer, die hier nicht nur ihre Handelsrouten zogen, sondern auch die Smaragdminen entdeckten und die Edelsteine hoben.

Viele davon sollen an die sagenhafte Königin Kleopatra geliefert worden sein. Noch heute finden sich mitten in der Wüste, im Tal von Sikait, deutlich sichtbare Relikte der Behausungen der Minenarbeiter, ganz gut erhalten ist auch der in den Fels gehauene römische Tempel.

Die Geschichte liegt hier überall offen herum Gianni Bodini

„Wenn man graben würde, käme sicher viel Interessantes zutage“, meint Bodini, „aber es interessieren sich nur wenige, die ganze Gegend ist für die meisten ein weißer Fleck“.

Unterwasserwunderwelt

Als Naturschutzgebiet des Nationalparks Wadi el Gemal gilt nicht nur die Wüste sondern auch die angrenzende Meereslandschaft, ein rund 100km breiter Küstenstreifen. Mangrovenwälder in Lagunen an der Küste bilden ein eigenes Ökosystem und sind auch Lebensraum für eine Vielzahl von Vogelarten. Die Unterwasserwelt ist für besonderen Artenreichtum berühmt:

Nirgendwo sonst im Roten Meer gibt es so viele Korallenarten, wir zählen rund 100 Fischarten, dazu verschiedene Schildkröten und die drolligen Dugongs, die Seekühe, die sich von Seegras am Meeresboden ernähren Conny, schweizer Tauchlehrerin im Divingcenter vom Gorgonia Beach Hotel

Beim Bootsausflug zum vorgelagerten Wadi Gemal Island kommt es zur ersten Begegnung: Eine Schar Spinnerdelfine begleitet uns ein Stück. Das Meer ist zwar noch kühl im Februar, aber jetzt will ich unbedingt mehr sehen. Conny bringt mir Anzug, Flossen und Brille und ich bin froh über ihre Begleitung bei der Schnorcheltour: Gefangen von der Faszination der Unterwasserwunderwelt merke ich gar nicht, wie lange und wie weit wir geschwommen waren!

Camel Shopping

„You want to buy a camel?“, grinst der Rezeptionist im Hotel, als ich mich erkundigen will, wie man am besten zum Kamelmarkt kommt. Laut Beschreibung ist der täglich stattfindende Kamelmarkt in Shalatin der bedeutendste Markt dieser Art in ganz Ägypten, klingt doch interessant! Shalatin liegt rund 200km in Richtung Süden, unweit der Grenze zum Sudan, offenbar auch eher ein weißer Fleck für Touristen, die Distanz zu groß und als Attraktion zu klein. Nachdem ich dem Rezeptionisten glaubwürdig versichern konnte, dass ich wirklich dorthin möchte, checkt er mir ein privates Taxi für die Fahrt, für allfällige Kontrollen kriege ich Papiere mit.

Der Markt findet nur am Vormittag statt, so holt mich Sherif, mein privater Fahrer, zeitig am Morgen ab. Die Straße ist durchwegs gerade und fast verkehrsfrei. Ich genieße die Fahrt: rechts Wüste und Berge, links weiße Strände mit türkisfarbenem Meer. Sherif scheint auch nicht oft in diese Gegend zu kommen, wir finden dann doch zeitgerecht zum Markt. Ein weiter, staubiger Platz mit Hunderten Kamelen, eigentlich ja Dromedare, dazwischen Männer die diskutieren.

Ich bin offensichtlich die einzige Touristin und bitte Sherif um Vermittlung, ich möchte gern fotografieren. Nach anfänglicher Scheu stellen sich einige bereitwillig in Pose, weitere Neugierige kommen dazu und möchten auch Fotos mit mir machen, alle haben Spaß. Wenig später kommt Bewegung auf, Staubwolken wirbeln, alle Tiere galoppieren in Richtung Gehege, der Markttag ist zu Ende!

Kompakt

Anreise

Marsa Alam ist der nächst gelegene Flughafen, Direktflüge ab Wien bietet beispielsweise Eurowings. 

Pauschalangebote für das Gorgonia Beach Resort sowie mehreren weiteren Hotels in der Region um Marsa Alam offerieren verschiedenste Veranstalter mit Ägypten-Programm.

Hotel-Tipp

Das Gorgonia Beach Resort steht für einen sanften und nachhaltigen Tourismus, der sich dem Schutz des Nationalparks, den Erhalt des riesigen, intakten Hausriffs und die Bewahrung des lokalen kulturellen Erbes engagiert. Die Leitung des Hotels arbeitet deshalb eng mit den Ababda-Beduinen in verschiedenen Projekten zusammen. Das Fünfsterne-Resort liegt direkt am Rande des Wadi el Gamal, zwischen Küste und Wüste und ist der ideale Ausgangspunkt für Ausflüge in das Herz des Nationalparks, zu Wasser und zu Land, sowohl Jeepsafaris in die Wüste wie auch Bootsafaris und Tauchexpeditionen am vorgelagerten Riff. Das unter italienischem Management geführte Hotel hat sich dem Ökotourismus verschrieben und ist bemüht, auch seine Gäste diesbezüglich zu sensibilisieren.

Weitere Details unter www.gorgoniabeach.com und www.wadielgemal.org

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Freie Journalistin

Lange Jahre war Martha Steszl fix im Team, wo sie maßgeblich an der Entwicklung des Geschäftsreisenmagazins tma verantwortlich zeichnete. Nach ihrem Ausstieg ins Privatleben steht sie weiterhin als freie Redakteurin - oft & gerne auch für spontane Einsätze - zur Verfügung.

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