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Tunesien: Ein Tag ist mehr als fünf

In knapp drei Stunden Flugzeit ab Wien via Tunis erreichen wir Djerba, um von dort mit dem Geländeauto über das Dahar-Gebirge in Richtung Jebil-Nationalpark aufzubrechen. In Douz decken wir uns mit „Chechs“ ein, die in den folgenden Tagen wegen des heftigen Sandsturms zum unentbehrlichen Kleidungsstück werden.

„Chrrrr, chrrr, chrrr.“ Was in unseren Ohren wie Schnarchen klingt, ist bei den „Chameliers“, den Kameltreibern in der tunesischen Sahara, der Befehl für die Dromedare aufzustehen. Jetzt heißt es, sich gut festhalten. Ist die bedenkliche Schieflage einmal überwunden, sitzt es sich am Rücken eines Dromedars recht bequem. Unsere kleine Karawane setzt sich in Bewegung, und schon bald entfaltet die sanft schwingende Gangart der Dromedare ihre meditative Wirkung. Erstaunlich, wie weit weg von allem man sich fühlen kann, obwohl Douz nur knapp 70km entfernt liegt. Nach einem Tag in der Sahara fühle ich mich entspannter als nach fünf Tagen Urlaub in der Zivilisation.

Fast wie Schnee

Ein ungewöhnlich heftiger Sturm treibt den Sand über die Dünen und lässt ihn über den Kämmen wie Gischt aufsprühen. Zurück bleiben sanfte Wellen, an deren Oberfläche sich weiche Linien schlängeln. Im Wind zeigen sich viele Parallelen zwischen Sand und Schnee – ein skurriler Gedanke in einer Gegend, in der die Temperatur im Sommer bis auf 60°C klettert. Wie die Nomaden schützen wir uns mit einem „Chech“ vor Sand und Sonne. Ridha, unser Beduinen-Führer mit unendlich viel Wüsten-Wissen, hilft uns dabei, die meterlangen Baumwollschals so zu wickeln, dass sie alles abdecken bis auf die Augen, die wir hinter Sonnenbrillen verbergen. Eine Bank sollten wir so wohl nicht betreten.

Sonne, Sand und Sterne

Spätestens nach der zweiten Düne kann ich nicht mehr sagen, in welcher Richtung unser Camp liegt. Ein paar dürre Büsche und gelblicher, feiner Sand bis zum Horizont bieten mir absolut keinen Anhaltspunkt zur Orientierung. Nomaden sehen das anders. Sie ziehen mit ihren Herden vorwiegend nachts, nicht nur, weil es kälter ist, sondern auch wegen der Sterne, die als natürliches GPS genutzt werden. Auch die Ausformung der Dünen gibt den Wüstenvölkern Auskunft über ihren Standort, ebenso die Sonne und die Beschaffenheit des Sands. „Im Süden ist er mehr rot als gelb. Wenn du kleine Steinchen in den Dünen findest, weißt du, du bist in Algerien“, erklärt uns Ridha und wirft dabei eine Handvoll Sand in die Luft. Wie mit Rauchzeichen lässt sich auf diese Weise über weite Distanzen kommunizieren.

Peeling vom Feinsten

Nach gut drei Stunden erblicken wir in einer Senke unser Camp mit acht Berberzelten, die wie kleine schwarze Hügel in den Dünen nisten. Die Ausstattung ist denkbar einfach: Matratzen, Decken und Kopfpolster. Was braucht es mehr? Zum Zähneputzen und Waschen geht’s in den separaten Gemeinschaftswaschraum. Doch noch ehe ich mein Gesicht abtrocknen kann, ist es schon wieder mit einer feinen Schicht Sand überzogen. Auch gut, so ein rein biologisches Peeling kriegt man nicht alle Tage. Inzwischen ist der Mond aufgegangen und taucht das Camp Jebil in ein mystisches Licht. Die Dromedare schlafen im Stehen oder Sitzen, ich im Liegen in meinem Schlafsack. Draußen singt der Sand im Sturm. Die zweite Nacht wollten wir im Freien verbringen, doch da hat uns der Sturm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schade? Aber nein, so weiß ich, dass ich bald wieder in den Erg Oriental komme.

Elo Resch-Pilcik war mit dem Tunesischen Fremdenverkehrsamt, Tunis Air und dem Veranstalter „Der Fliegende Teppich“ Ende April in Südtunesien unterwegs.

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.

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