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Stille Orte in Weinfranken

Die Sonne brennt auf die Pflastersteine. Eine Katze liegt schläfrig auf einer Fensterbank. Ein älterer Mann gießt seine Hortensien. Es ist still um die Mittagszeit in Sulzfeld. Von irgendwoher weht der Duft von gebratener Wurst. Kaum ein Auto in den engen Gassen. Plötzlich ein Geklingel und Geklapper. Von Wilfried Kropp

Eine Gruppe rüstiger Senioren steigt vor einer Gaststätte von ihren E-Bikes ab. Lautes Lachen: „Gibt’s das wirklich? Meterbratwurst?“ Gibt es tatsächlich. Im „Michelskeller“ und auch in den anderen urigen Gasthäusern der kleinen Stadt wird die fränkische Bratwurst der Länge nach angeboten: Ein halber Meter oder für die ganz Mutigen auch ein ganzer Meter. Die Wurst ist etwas dünner als die normalen Bratwürste, schmeckt aber genauso herzhaft und wird in der Regel mit Sauerkraut serviert.

Sulzfeld ist ein stiller Ort in Weinfranken, gut 20km südöstlich von Würzburg entfernt. Die großen Touristenströme ziehen vorbei. Die kompakte Altstadt innerhalb der Stadtmauern gehört noch weitgehend den Anwohnern und Gästen, die sich an den Renaissance- und Barock-Fassaden erfreuen, pittoreske Winkel entdecken und sich vom Sulzfelder Wein verführen lassen.

Hanglage und Muschelkalk

Die Hanglagen, die vom Wärmespeicher Main profitieren, bringen auf kargen Muschelkalkböden ganz ausgezeichnete Sylvaner und Müller-Thurgau hervor – Rebsorten, die in Österreich nur wenig bekannt sind. Das renommierteste Weingut ist der Zehnthof der Gebrüder Ulrich und Wolfgang Luckert, der zum deutschen Eliteverband der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) gehört. „Kraftvoll, dicht, intensiv“ – so werden die Luckert-Weine meistens beschrieben. Wer wissen will, wo die Reben wachsen, kann auf gut ausgeschilderten Wanderwegen die Lagen Cyriakusberg und Maustal erkunden.

Ein Prost dem Erzbischof

Ein paar Kilometer mainaufwärts dann Escherndorf. Wie in einem Hohlspiegel wachsen auf der Steillage „Escherndorfer Lump“ - gehaltvolle Weine, die seit Jahrhunderten dem erzbischöflichen Hof in Würzburg kredenzt wurden. Und oben thront die Vogelsburg, ein ehemaliges Kloster, das jetzt vom Juliusspital in Würzburg bewirtschaftet wird.

Der Ausblick nach Südosten zeigt eine harmonische Landschaft: Im Vordergrund die steilen Weinberge von Escherndorf, der stille Altarm des Mains, dann sanfte Hügel, mit Reben bepflanzt, und ganz im Hintergrund bläut der Steigerwald, ein stark bewaldetes Mittelgebirge.

Mit der „Mainkuh“ übers Wasser

Die Stille, das harmonische Dahingleiten, erlebt man auch auf einer Floßfahrt auf dem Altmain. Nach einem Durchstich eines in den fünfziger Jahren gebauten Kanals zwischen Volkach und Gerlachshausen ist hier eine naturbelassene Flusslandschaft entstanden, durch die das Floß gleichsam schwebt. Entschleunigung pur. Zwischen Escherndorf und Nordheim verkehrt eine seilgeführte Fähre, umgangssprachlich „Mainkuh“ genannt – ein Kuriosum in unserer schnelllebigen Zeit.

Nur wenige Kilometer stromaufwärts liegt Volkach. An manchen Tagen nicht gerade still, aber trotzdem sehr lohnend. Zum einen wegen der gut erhaltenen Altstadt, zum anderen aber wegen eines Kleinods im Weinberg: Etwas außerhalb der Kleinstadt hängt in der Wallfahrtskirche „Maria im Weingarten“ ein spätgotisches Meisterwerk des Bildschnitzers Tilman Riemenschneider, die „Madonna im Rosenkranz“. Vor 57 Jahren wurde die Statue gestohlen und schwer beschädigt. Dem Chefredakteur des deutschen Magazins „stern“, Henri Nannen, gelang es ein Jahr später, in einer spektakulären Aktion die Madonna zurückzuholen. Er wurde zum Ehrenbürger der Stadt Volkach ernannt.

Zweiklang aus Wein & Kultur

Der Akkord „Wein & Kultur“ klingt besonders harmonisch in Iphofen. Marktplatz, Rathaus, Kirche, Bürgerhäuser: Alles ist vom Feinsten, liebevoll gepflegt oder, wie das neue Museum, modern, aber zurückhaltend in das historische Ensemble eingepasst. Das wirtschaftliche Fundament für die Wohlstand ausstrahlende Stadt bildet das Unternehmen Knauf, das mit Trockenbau und Fassaden weltweit rund 7 Mrd. EUR umsetzt und seine Zentrale in Iphofen hat. Die Familie Knauf hat bedeutende Beiträge für die Stadtentwicklung geleistet, unter anderem für ein Museum im Stadtkern.

Traditionell ist Iphofen bekannt für seine Weinberge und renommierten Winzer. Am Wein kommt in Iphofen ohnehin niemand vorbei: Durch die Weinlagen Julius-Echter-Berg oder Kalb führen Weinwanderwege; Vinotheken offerieren die ganze Bandbreite an Rebsorten und Lagen und mehrfach im Jahr gibt es Stadtfeste, in denen der Wein keine geringe Rolle spielt. Die Wahrzeichen von Iphofen, tausendfach fotografiert, sind die Stadttore, vor allem das Rödelseer Tor.

Wein mit österreichischen Wurzeln

An den Ausläufern des Steigerwaldes befindet sich Castell, Sitz der Fürstenfamilie Castell-Castell, die auch im oberösterreichischen Innviertel einen Großteil des Weilhart-Forstes besitzt und in Hochburg ein Schloss bewohnt. Castell gilt als Geburtsstätte des Frankenweins: 1659 wird erstmals Sylvaner angepflanzt, übrigens mit Rebstöcken, die aus Österreich eingeführt wurden. Das fürstliche Weingut, rund 800 Jahre alt, gehört heute mit rund 70 Hektar Anbaufläche zu den größten Gütern in Franken und setzt selbstverständlich einen Schwerpunkt bei den Sylvanern.

Das Schloss kann nicht besichtigt werden, wohl aber der Schlosspark mit seinen alten Bäumen. Im Ort befindet sich das ausgezeichnete Restaurant „Zum Schwan“, das sich einen Namen mit „aufgefrischten“ fränkischen Spezialitäten gemacht hat.

KOMPAKT

Zehn Highlights in Weinfranken

Dettelbach: Wallfahrtskirche Maria am Sand, Rathaus, Stadtbefestigung
Escherndorf: steile Weinberge, Vogelsburg, Mainfähre
Frickenhausen: malerischer Ortskern, spätgotisches Rathaus
Iphofen: Marktplatz, Stadttore, Knauf-Museum
Mainbernheim: Wehrtürme, Altstadt
Marktbreit: Schloss und Rathaus, Malerwinkel
Sommerach: bedeutender Weinort mit gut erhaltenen bürgerlichen Gebäuden
Sommerhausen: Treffpunkt von Künstlern, Schloss, Torturmtheater
Sulzfeld: Stadtbefestigung, Barock- und Renaissance-Gebäude
Volkach: Wallfahrtskirche, Rathaus, barocke Palais

Tipp des Autors

Kombinieren Sie das fränkische Weinland mit dem Hohenloher Land, einer an Schlössern, Museen und Kirchen reichen Landschaft.
In Schwäbisch-Hall lohnen ganz besonders die Kunstsammlungen des Mäzens und Unternehmers Reinhold Würth, der übrigens auch in Salzburg- Aigen einen Wohnsitz hat.
Jagst- und Kochertal sind herrliche Wander- und Fahrradgebiete.
Wohnen können Sie im „Schlosshotel Friedrichsruhe“, dem besten Hotel in weitem Umkreis – ebenfalls im Besitz von Würth.

Praktische Hinweise

Anreise

Mit dem Auto über die A7 Richtung Würzburg. Mit der Bahn zu den Ausgangspunkten Würzburg oder Kitzingen.

Hotels

Ordentliche und preiswerte Zimmer gibt es in vielen Gasthöfen und Pensionen. Wer etwas stilvoller und komfortabler wohnen will, kann eines der folgenden Hotels wählen: „Zur Schwane“ in Volkach, „Meintzinger“ in Frickenhausen, „Zur Sonne“ in Nordheim.

Weingüter

Zehnthof Luckert in Sulzfeld, Horst Sauer in Escherndorf, Johann Ruck und Hans Wirsching in Iphofen, Fürstlich-Castellsches Domänenamt in Castell. Winzerkeller Sommerach.

Aktiv

Vorschläge für Wander- und Radtouren finden Sie auf www.fraenkisches-weinland.de

Der Autor

Wilfried Kropp sucht im Vertrauten nach dem Besonderen, hauptsächlich in den europäischen Kulturlandschaften. Kunst, Kultur & Kulinarik stehen im Mittelpunkt seiner vielfältigen Interessen.

Der Text ist erschienen in "reisetipps", Ausgabe Nr. 23.

Dieser Artikel wurde verfasst von:

Freie Journalistin

Christiane Reitshammer war von 2003 bis 2012 Teil des Redaktionsteams. Nun ist sie als freie Journalistin gerne für „tip“ und „reisetipps“ unterwegs und sucht für reisetipps.cc die besten Tipps heraus.

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